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Erfolgreicher Klimaentscheid in HamburgBür­ge­r*in­nen voraus

Die Klimakrise eskaliert, die CO2-Emissionen steigen. Der Volksentscheid in Hamburg zeigt, dass die Bür­ge­r*in­nen sich mehr trauen als die Politik.

Unterstützerinnen und Unterstützer der Initiative „Hamburger Zukunftsentscheid“ feiern ihren Erfog, Hamburg, am 12.10.2025 Foto: Georg Wendt/dpa

Berlin taz | Im Endspurt zum erfolgreichen Klimaentscheid haben die Ham­bur­ge­r*in­nen noch mal eine eindrückliche Warnung aus ihrer eigenen Stadt gehört: „Bereits bis 2050 besteht das Risiko einer Erwärmung um 3 Grad“, warnten die Deutsche Meteorologische Gesellschaft und die Deutsche Physikalische Gesellschaft Ende September auf dem Extremwetterkongress in der Hansestadt.

Drei Grad bedeuten sehr wahrscheinlich ein Klimachaos, eine viel unsicherere Erde – und das schon in 25 Jahren? Dieses extreme Worst-Case-Szenario ist zwar wissenschaftlich umstritten. Doch die entscheidende Botschaft bleibt: Die Klimakrise schreitet rapide voran.

Dass das Ziel des Pariser Weltklimaabkommens, die Erderhitzung bei noch einigermaßen erträglichen 1,5 Grad zu stoppen, eingehalten wird, glaubt so gut wie niemand mehr. Schließlich steigen die CO2-Emissionen im globalen Schnitt bislang immer noch.

Klimaneutralität fünf Jahre früher

Die Ham­bur­ge­r*in­nen zwingen die Politik nun mit ihrem Volksentscheid dazu, beim Klimaschutz Tempo zu machen. Der Gesetzentwurf der Volksinitiative sieht vor, die Klimaneutralität um fünf Jahre auf 2040 vorzuziehen.

Dass die Bür­ge­r*in­nen sich klimapolitisch mehr trauen als die Politik, gab es schon gelegentlich. Zum Beispiel beim Bürgerrat Klima, der 2021 stattfand. Organisiert wurde er von einem Verein. Das Gremium bestand aus 160 Menschen aus dem ganzen Land, die zufällig ausgesucht wurden und in Bezug auf Faktoren wie Alter, Bildungsstand und Geschlecht repräsentativ für Deutschland waren.

In 12 virtuellen Treffen befassten sie sich insgesamt 50 Stunden lang mit nötigen und möglichen Klimaschutzmaßnahmen. Dabei wurden sie von Wis­sen­schaft­le­r*in­nen informiert, die Diskussionen über Energie, Ernährung, Verkehr und Wohnen wurden professionell moderiert.

Bür­ge­r*in­nen oft mutiger als Po­li­ti­ke­r*in­nen

Das Ergebnis: weitreichende Forderungen wie die nach einem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien, weniger Nutztieren und entsprechend Fleischkonsum, einem Tempolimit auf Autobahnen, dem Verbot von Öl- und Gasheizungen und Verbrennungsmotoren. Außerdem wünschten sich die Teil­neh­me­r*in­nen des Bürgerrats einen Vorrang für das 1,5-Grad-Ziel gegenüber anderen Interessen bei allen staatlichen Maßnahmen. Nur eine der diskutierten Maßnahmen lehnte der Bürgerrat schließlich mehrheitlich ab, nämlich die Einführung einer Citymaut für Autos.

Ähnliche Klima-Bürgerräte in Frankreich und Irland hatten schon Jahre vorher erstaunlich konkrete und weitreichende Empfehlungen hervorgebracht. Der Haken dabei: Die Ergebnisse waren nie verbindlich für die Politik.

Trotzdem gab der mittlerweile verstorbene Ex-Bundespräsident Horst Köhler (CDU), der den deutschen Bürgerrat Klima als Schirmherr begleitete, der Bundesregierung zum Abschluss eine Empfehlung mit: „Das Ergebnis sendet ein klares Signal an die Politik: Unterschätzt die Bürger nicht!“

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